Rauchen aufhören mit der E-Zigarette. Tagebuch eines Selbstversuches.

von Ulf Schleth

Die E-Zigarette: Nur heisse Luft? Foto: Ulf Schleth

Die E-Zigarette: Nur heisse Luft? Foto: Ulf Schleth

16.9.

Wer raucht, stirbt. Ich will nicht sterben. Ich rauche seit 39 Jahren und hoffe, da geht noch was. Seit fünf Jahren versuche ich jetzt, mit dem Rauchen aufzuhören und es gelang mir nur einmal ein halbes Jahr lang, aus Liebe, danach maximal für 2 Wochen. Sobald mich wieder etwas streßt, greife ich sofort zur Zigarette, weil die Nikotin- und die Gewohnheitssucht stark sind und Beruhigung versprechen. Wenn die alte Strategie nicht funktioniert, sollte man einsehen, daß man eine neue versuchen muß. Diesen Punkt habe ich nun wirklich weit überschritten. Die nächste Strategie heißt E-Zigarette. So wie ich den medialen Querschnitt verstehe, ist es relativ sicher, daß sie zumindest nicht so viele gesundheitsgefährdende Stoffe enthält wie die normale Zigarette. Das heißt, selbst wenn mir das Aufhören damit nicht gelingt, habe ich gewonnen. Ich muß mich noch etwas ausführlicher informieren und besuche Youtube. Weil ich Google möglichst wenig Daten geben möchte, mache ich das über einen kleinen Umweg, über Invidious.

Also suche ich da nach „E-Zigarette“. Was finde ich? Seitenweise Videos von irgendwelchen Spinnern, Vollnerds, die stundenlang über E-Zigaretten reden. Haben die nichts zu tun? Läßt sich kein sinnvollerer Lebensinhalt finden? Ich bin gelinde gesagt geschockt. Das ist abschreckend! Wer hat Lust, sich so ein Teil zu kaufen, wenn man dazu Videos von solchen Typen ansehen muß? Ich lerne gegen meinen Willen Worte wie „Einsteigerzigarette“, „Backendampfer“, „Coil“, „Verdampferkopf“, „Akkuträger“. Hallo??! Ich will einfach nur rauchen! Beziehungsweise damit aufhören! Und keine fucking Wissenschaft lernen.  Lachen muß ich, als ich merke, daß einige von diesen „Vape-Bros“ (Danke für das Wort, K.) tatsächlich der Meinung sind, daß, wer E-Zigaretten raucht, bereits mit dem Rauchen aufgehört hat. Sie nennen es stattdessen einfach „dampfen“. Das erinnert mich an Donald Trump, der sich die Realität ja auch gern zurecht redet. Das ändert nur nichts an der Realität. „Rauchen“ als Begriff für „Einsaugen von gasförmigen Stoffen, die eigentlich nichts in der Lunge verloren haben“ paßt auch aufs „Dampfen“, so what?!

Ich geh da schnell wieder weg. Ich suche mir einen Online-Shop, da finde ich eine Zigarette die gut aussieht, nicht so teuer ist und gute Bewertungen im Netz hat. Ich bestelle gleich jeweils 2-3 mal „Liquids“ mit 12, 6 und 3 mg Nikotin / ml dazu, das ist der Plan: Langsam das Nikotin reduzieren und dann das Ding wegschmeißen. Alles zusammen kostet mich knapp über 60 Euro. Es nervt mich gehörig, daß es kein Komplettset zum „Rauchen aufhören“ nach medizinischen Gesichtspunkten gibt, das zum Beispiel den Nikotingehalt in unmerklichen Schritten bis zum Nullpunkt reduziert. Okay, die E-Zigaretten-Shops schlagen genauso wie Tabakläden Profit aus der Sucht ihrer Kunden, aber ich dachte, die wären einen Schritt weiter.

19.9.

Sonntag. Es war ein anstrengendes Wochenende draußen in der Natur. DHL hat mir geschrieben, daß das Paket mit der E-Zigarette bei einem Nachbarn abgegeben wurde. Das trifft sich gut, meine Zigaretten sind eh alle. Ich komme nach Hause und mache gespannt das Paket auf. Die Zigarette liegt gut in der Hand. Sie macht für 22,99 einen erstaunlich „wertigen“ Eindruck. Ich sehe in die Bedienungsanleitung. Sie ist viel zu klein gedruckt. da steht, daß wer das Kit hat, die Zigarette erst zusammenbauen muss und dann den Verdampferkopf einsetzen. Meine Zigarette war schon zusammengebaut also gehe ich davon aus, daß ich sie nicht erst zusammensetzen muss und da hinter dem Glas ein Metallbauteil zu sehen ist, schließe ich darauf, daß der Verdampferkopf auch schon eingebaut ist. Ich schließe die Zigarette mit dem mitgelieferten Kabel (noch kürzer ging es wohl nicht?) an das mitgelieferte USB-Ladegerät an, sie ist bereits voll aufgeladen, dann brauche ich eine Weile, bis ich herausgefunden habe, wie man die Kindersicherung der Liquids überlistet. Nachdem ich das endlich geschafft habe, fülle ich das Zeug ein. Es läuft sofort wieder raus. Mir über die Hände, auf den Tisch.

Nikotin ist ein Kontaktgift. Ich wasche mir die Hände mehrfach, merke aber, daß ich leicht unter Droge stehe. Ich lese die Bedienungsanleitung nochmal und tippe daß ich wohl erst den Verdampfer einbauen muss. In der Bedienungsanleitung ist das nicht gut erklärt, aber ich bekomme es hin. Irgendwann ist alles saubergemacht und zusammengebaut. Auch wenn mein Nikotinbedarf schon gedeckt ist, bevor ich den ersten Zug nehme, versuche ich mein Glück. Ich soll den „Feuerknopf“ 5mal drücken, um sie anzuschalten. Mir fällt auf, daß sie schon nach 4mal drücken an bzw. aus geht.

20.9.

Ich fühle mich den ganzen Tag leicht high, obwohl ich nicht sehr oft ziehe. Mich beschleicht der Verdacht, daß das 12mg/ml – Liquid viel zu stark ist. Ich fülle mit etwas von der  3mg/ml-Flüssigkeit nach. Das geht besser. Dabei ist allerdings schon wieder Flüssigkeit ausgelaufen. Ich hatte vergessen die E-Zigarette auszumachen. Vielleicht lags daran. Vielleicht auch nicht. [Update: Ok das wars nicht. Ich habe nochmal alle Teile auseinandergenommen, mit einem Taschentuch gereinigt und wieder zusammengesetzt. Ausserdem gebe ich mir jetzt Mühe, das Ding zügig zu befüllen. Seitdem ist keine Flüssigkeit mehr ausgetreten.] Ich nehme über den Tag verteilt ca. 6mal ein paar Züge, um aufkommende Lust auf eine Zigarette zu befriedigen. High bin ich immer noch. Eins merke ich aber gleich: Auch wenn ich zwischendurch fast meine E-Zigarette aus Gewöhnheit angezündet hätte, sie ersetzt die normale Zigarette. Wenn Du  Lust auf Zigarette hast und rauchst E-Zigarette, ist die Lust danach weg. Zumindest, so lange Nikotin drinnen ist.

21.9.

Ich wache morgens mit einem echt unangenehmen Gefühl im Brustkorb auf, demselben das ich habe, wenn ich zuviel geraucht habe. Ich habe außerdem einen leichten Hustenreiz. Das ist die Umgewöhnung denke ich und denke daran zrück wie es war als ich mit dem Rauchen anfing. Was habe ich gehustet. Aber ich wollte ja unbedingt einer von den coolen Jungs sein. Ich denke daran, daß „das britische Gesundheitsministerium schätzt, dass E-Zigaretten-Konsum ca. 95 % weniger schädlich als Tabakrauchen ist“. Was ich spüre sind wahrscheinlich die verbleibenden 5%. Oder Umgewöhnungsprobleme.

Ich nehme zum ersten Kaffee einen Zug. Ich bin schon wieder (oder immer noch?) high. Es reicht mir und ich beschließe, übergangslos auf das 6mg/ml-Liquid umzusteigen. Dabei habe ich vorher keine schwachen Zigaretten geraucht. So die Stärke Lucky Strike rot. Also die zwei Packungen 12mg-Liquid sind umsonst gekauft. Okay, man könnte sie verdünnen, aber ich will ja mit dem Rauchen aufhören und es nicht verlängern. 12mg sind vielleicht was die sonst Gauloises ohne Filter, Karo, Sprachlos oder Schwarzer Krauser geraucht haben.

22.9.

Ich lese darüber, daß im Restdampf gar nicht so wenig Nikotin enthalten ist, so daß man auch bei E-Zigaretten passiv raucht. Nicht nur deshalb, sondern auch, weil es gegen den Gewohnheitsaspekt der Sucht besser ist, beschließe ich im Beisein von anderen Personen und insbesondere Kindern, nicht drinnen zu rauchen, auch wenn es nicht stinkt. Nur an den einschlägigen Orten und in den üblichen Pausen. Nicht, daß man nach und nach anfängt immer mehr zu rauchen.

Heute muß die Zigarette geladen werden. Man soll das mit einem 1A-Ladegerät machen, nicht darüber. Andernfalls könne die Zigarette kaputtgehen. Da hätte man doch sicher auch eine Sicherheitsschaltung einbauen können, oder?

23.9.

Der USB-Anschluß der Zigarette gibt mir zu denken. Schade, daß zum Laden noch ein Micro-USB-Anschluß verbaut ist, bei dem man auf die Einsteckrichtung achten muß. Irgendwo steht, man solle keine andere Software auf der E-Zigarette verwenden als die des Herstellers. Interessant. Ich frage mich, ob schon jemand E-Zigaretten gehacked hat. Immerhin finde ich einen Hinweis darauf, daß man sie hacken kann, um PCs zu hacken. Ich denke eher an andere Dinge, E-Zigaretten zu kleinen Nebelmaschinen für Spontanparties umzurüsten, immerhin basieren sie auf der  gleichen Technik. Ihnen beizubringen, selbsttätig dem Anwender das Rauchen abzugewöhnen, oder wenigstens Daten zu loggen, so daß man sich jederzeit ausführlich über das eigene Rauchverhalten informieren kann (wie oft habe ich heute an der Zigarette gezogen? Wieviel von welchem Schadstoff habe ich dabei zu mir genommen?)

24.9.

Ich bestelle mir noch Liquid dazu, das im Geschmack dem normalen Tabak sehr ähnlich sein soll, aber gar kein Nikotin mehr enthält. Ich denke mir, das werde ich brauchen, wenn ich ganz am Ende aufhören will, aber noch dringend an etwas saugen muss. Außerdem kann man es vielleicht auch gut dazu verwenden, das Nikotin fließender zu reduzieren, also z.B. vom 3mg/ml erstmal runterzugehen auf 1,5 bevor man es ganz absetzt, indem man es unter das nikotinhaltige Liquid mischt. Ach so, eine Packung mit Liquid kostet ca. 5 Euro und reicht mehrere Tage. Billiger als Zigaretten ist das Zeug also allemal.

Liquids zum langsam runterkommen: 12mg/ml ist zuviel (Foto: Ulf Schleth)

Liquids zum langsam runterkommen: 12mg/ml ist zuviel (Foto: Ulf Schleth)

25.9.

K. hat intensive Erfahrungen mit dem „Vapen“ gemacht, ich frage ihn per SMS, wieso er es wieder gelassen hat: „Ich hatte aus mehreren Gründen aufgehört. Einmal weil ich mir für ein paar Wochen 500 mg am Tag reingezogen hatte jede 30 Sekunden oder so, und ich dann nur noch 2-3 Stunden am Tag schlafen musste/wollte. Fühlte mich super geil wie ein Crack rauchender Rockstar aber voll ausser Kontrolle, dachte ist vielleicht auch nicht unbedingt so gesund…“ Die 500mg am Tag sind natürlich eine starke Übertreibung, aber aus dem Aspekt habe ich es noch nicht gesehen: Man kann mit der E-Zigarette den Nikotingehalt und dessen Auswirkungen etwas leichter dosieren, also nicht nur nach unten, sondern auch nach oben.

Ich erinnere mich noch an das Rauschgefühl, das die ersten Zigaretten ausgelöst haben, oder die erste Zigarette nach langer Zeit. Es ist das gleiche, das ich vor ein paar Tagen nach dem unbedachten Umgang mit dem 12mg/ml-Liquid hatte. Es ist halt die Frage wo Du stehst: Ob Du der eher spaßorientierte junge Mensch bist, der Selbstzerstörung cool findet, oder der ältere Mensch, der nach und nach immer mehr Rechnungen für sein spaßorientiertes Handeln gestellt bekommt und versucht, sein Leiden zu lindern und noch ein bißchen mehr Lebenszeit rauszuschinden. Von den eher vernunftsorientierten Menschen müssen wir hier nicht sprechen, die lassen die Finger von diesem Dreck.

26.9.

Ich kann nicht schlafen. Das Nikotin ist trotz nur noch 6mg/ml immer noch zu viel. Mein Kreislauf ist angeregt, mein Herz schlägt schneller als es sollte und ich bin ziemlich lange wach.

27.9.

Ich stehe früh auf und kann nicht mehr einschlafen. Fühlt sich fast an wie Kokain, das Nikotin. Mir wird klar, daß das auch all die Jahre während des Zigaretterauchens schon so war, ich habs nur nicht mehr gemerkt. Schon erstaunlich was man seinem Körper so zumutet. Ich mische das neue 0mg-Nikotin-Liquid dazu. Das ist übrigens ganz lecker. Es heißt „Vincent Hampton Tabak“ und kommt aus Frankreich.

28.9.

Ich habe mit B. telefoniert. Ich hatte ihr den Link zu diesem Tagebuch geschickt. Sie hat sich teure Einweg-E-Zigaretten mit 20mg/ml Nikotin bestellt. Verstehe ich nicht, hat sie das Tagebuch nicht gründlich genug gelesen? Okay, sie sagt, sie raucht mehr als ich. Das mag ja sein, aber sie raucht keine stärkeren Zigaretten, nur mehr. Ich denke, wer aufhören will zu rauchen, sollte sich da abholen wo sie steht, also versuchen, das Verhalten direkt zu übernehmen, bevor man  das Nikotin reduziert. Lieber mehr Liquid statt stärkeres. Einwegzigaretten unterstütze ich natürlich allein schon aus ökologischen Gründen nicht, aber solche Aspekte interessieren B. nicht so. Ich hoffe, daß sie der hohe Nikotingehalt nicht stört, sie aber auch nicht noch abhängiger macht, als sie schon ist und sie nicht gleich wieder aufgibt. Das Rauchen hat ihr Lungenvolumen schon stark reduziert und für sie wäre es sicher schon ein Gewinn, wenn sie bei den E-Zigaretten bleiben würde, ohne ganz mit dem Rauchen aufzuhören.

29.9.

Auf dem Weg zum Postladen treffe ich H. Er erzählt mir, daß er gerade seinen neuen Vaporizer wegbringt. Er benutzt den aber zum Rauchen von Hasch, nicht für Nikotin. Er erzählt mir, daß ihn das wirklich glücklich macht und auch die Verletzung, die er sich vor einer Weile zugezogen hat, schneller heilen würde. Ich erwähne meine E-Zigarette, die auch ein Vaporizer ist und sofort stellt sich ein Gefühl der Verbrüderung ein. Er aber „vaped“ um seiner Lunge nicht so zu schaden, wenn er Drogen zu sich nimmt, während ich das mache, um meine Sucht loszuwerden. H. sagt, ich solle lieber das Wort „Abhängigkeit“ verwenden, „Sucht“ würde stigmatisieren. Ich muß darüber erstmal nachdenken. Später fällt mir ein, ich finde das Wort „Abhängigkeit“ nicht unbedingt weniger stigmatisierend als „Sucht“. Eher im Gegenteil.

Im Paketladen angekommen gebe ich meine Pakete ab und frage, was das für kleine Schachteln im Tabakregal sind. Die Verkäuferin strahlt mich an und sagt „wir verkaufen jetzt auch Liquids für E-Zigaretten, hier haben Sie einen Gutschein über 20% Rabatt“. Ich muß mich zwingen, keine Freude aufkommen zu lassen und mich daran zu erinnern, daß ich aufhören will und nicht umsteigen.

30.9.

Heute ist der Tag für ein paar philosophische Gedanken. Was ich mich frage ist, was erzeugt das befriedigende Gefühl in der Lunge? Ist es das Nikotin? Bei leichten Zigaretten etwa „spürt“ man ja auch nichts. Die Frage muß ich mir merken. Wenn dieses Gefühl auch beim Rauchen nikotinfreien Liquids einträte, wär schonmal einiges gewonnen. Ich überlege mir, wie ich weitermache. Am intelligentesten wäre es, das Nikotin ganz langsam zu reduzieren. Wenn man es zu schnell reduziert, ist sicher das Bedürfnis nach mehr Nikotin oder Zigaretten schnell wieder da. Danach, wenn man auf 0mg Nikotin herunter ist, sollte man noch einen Monat oder zwei bis fünf nikotinfrei rauchen, nehme ich an, bevor man das auch läßt. Damit man immer eine Alternative zum in-den-Mund-stecken bei der Hand hat, wenn einem jemand eine Zigarette anbietet.

Zwischendurch frage ich mich, ob es wohl so viele Raucher gäbe, wenn das Daumenlutschen nicht so schlecht für die Zähne und gesellschaftlich auch für Erwachsene als „cool“ akzeptiert wäre und muß lachen. Clint Eastwood mit Daumen im Mund.

Das Liquid ist superwichtig. Gerade bei Menschen, die nur umsteigen möchten ist es wichtig, etwas gut schmeckendes mit der richtigen Nikotinmenge zu haben, aber auch für Aufhörende ist es wichtig, welches zu verwenden, das ihrem gewohnten Tabakgeschmack möglichst nahe kommt oder gar noch besser schmeckt.

3.10.

Es gib nichts wirklich interessantes zu berichten, also noch ein paar philosophische Betrachtungen. Es gibt immer mal wieder Missverständnisse von Leuten die Angst haben „der Umstieg“ wäre schwer, was Quatsch ist, weil man ja weiter raucht. Man bekommt sein Nikotin weiterhin wenn man möchte. Ich muß dann immer wieder erklären, daß ich das mache um „umzusteigen“, sonder um ganz aufzuhören, mir Dinge in die Lunge zu pfeifen. In der Hoffnung, daß die allmähliche Reduktion von Nikotin in sehr kleinen Schritten dazu führt, daß man mit einen „sanften Entzug“ am Ende die Umstellung auf reine Luft besser hinbekommt. Ach vielleicht eine Sache noch: Daß sich die Lunge wesentlich freier anfühlt kann ich so nicht bestätigen. Wenn man im Zusammenhang mit Alkohol mehr raucht, fühlen sich die Atemwege auch mit der E-Zigarette am nächsten Tag elend an.

Ein Aspekt an E-Zigaretten ist, daß Du freier bist. Du bist freier, einen höheren Nikotingehalt zu wählen als Du gewohnt bist und Dich noch abhängiger zu machen. Auf der anderen Seite zwingt Dich die E-Zigarette nicht, sie zu Ende zu rauchen. Es ist nicht „schade ums Geld“; Du mußt keine halbgerauchten Zigaretten ausdrücken. In Wahrheit ist es natürlich nie schade ums Geld, sondern schade um die Gesundheit, wenn man so denkt, aber ein richtiger Sparfuchs möchte eben auch sein ganzes Geld in der Lunge haben. Das geht mit der E-Zigarette. Sie eignet sich durch ihre Handhabung auch besonders gut für Leute mit Gastro-Jobs und anderen stressigen Tätigkeiten, die nie dazu kommen, eine Zigarette ganz zu Ende zu rauchen.

5.10.

Verabredung mit Z. Sie will mit mir eine letzte Zigarette teilen und ich freue mich schon auf sie und auf das Experiment, nochmal zurückzugehen. Sie hat aber gar keine Zigaretten dabei. Also gehen wir welche kaufen. Lucky Strike rot ohne Zusätze in klein. Sagen, welche Zigaretten man haben möchte, dauert auch immer länger. Wir rauchen Zigaretten. Ich bin erstaunt. Ich merke fast keinen Unterschied. Der einzige Unterschied den ich merke ist, daß es sich so anfühlt als läge ich mit dem E-Zigaretten-Nikotin schon unter dem der Zigarette. Die fühle ich stärker in der Lunge.  Ob man da das Nikotin fühlt oder die Gesamtheit der Schadstoffe, oder die Hitze des Rauches, frage ich mich wieder. Ich rauche einen zweiten Glimmstengel. Es fühlt sich vertraut an. Das soll es nicht mehr. Auf dem Nachhauseweg spüre ich den Drang, Zigaretten zu kaufen. Ich nuckle ein paar Züge aus der E-Zigarette um mich zu vergewissern, daß mir nichts fehlt. Es fehlt nichts. Noch so ein Experiment wird es nicht geben.

7.10.

Verabredung mit T. Von wegen „noch so ein Experiment wird es nicht geben“. Wir trinken schlechten Wein und T. legt ihre Zigaretten auf den Tisch. Ich habe sofort Lust, eine davon zu rauchen. Ich rauche eine mit, dann noch eine, ich gebe mir den Nikotin-Flash, am Ende des Abend sind es vier. Oder fünf? Dann wird es mir zuviel und ich greife wieder zur E-Zigarette. Auch später habe ich keine Lust auf Zigaretten oder darauf, mir welche zu kaufen.

9.10.

Nachrichtenwechsel mit B. Sie fragt mich, ob es Liquids mit Melatonin, Energy (Guarana ), „Slim“ und „Sport“ gibt. Für jemanden der nur noch 40% seines altersgemäßen Lungenvolumens hat, eine komische Frage. Für jemanden, der mit dem Rauchen aufhören will, eine noch komischere Frage: Du willst von der einen Droge wegkommen, vorher aber verschiedenste andere Stoffe zumischen? Und wieso Melatonin? Das beruhigt, während Niktoin anregt. Wieso sollte man beide zusammen zu sich nehmen? Ich fange an zu glauben, daß B. sich gar nicht wirklich von ihrer Sucht befreien, sondern sich lieber in neue stürzen möchte. Ich nehme an, mit „Slim“ und „Sport“ meint sie irgendwas appetitzügelndes. Irre. Sport ist etwas das machen muß, damit man slim wird. Zu versuchen, es auf anderem Wege zu machen/werden, schadet dem Körper. Sonst nichts.

10.10.

18 Uhr. Heute gabs kein Mittagessen und ich bin echt hungrig. Ich fange an zu kochen, aber das dauert mindestens eine Stunde. Ein typischer Raucherreflex fällt mir auf: In mir entsteht Lust auf eine Zigarette. Ich ziehe an der E-Zigarette und siehe da, es hilft ein bisschen. Ist auch kein Wunder, denn es ist ja noch Nikotin in ihnen. Also: Von jetzt an immer schön zu Mittag essen!

13.10.

Telefonat mit B. Sie hat sich mittlerweile eine nachfüllbare E-Zigarette als Zigarettenersatz zusammen mit Nikotinsalz à 20mg/ml gekauft. Das war ihr zu heftig. Deshalb hat sie das E-Zigaretten-Rauchen wieder aufgegeben. Ich verstehe das nicht wirklich. Wieso kauft sie sich nicht eine schwächere Lösung? Anderes Liquid? Vor allem da sie sagt, sie habe mit der Sache an und für sich gar kein Problem gehabt? Ist sie zu ungeduldig verschiedene Sachen zu probieren? Ist ihr das zu teuer? Ich merke, daß es eine gute Idee war, gleich Liquids in verschiedenen Stärken mitzubestellen.

14.10.

Das erste Liquid-Fläschchen ist leer:

Was ich bisher geraucht habe: Links 12mg/ml, Mitte 6mg/ml, rechts 0mg/ml. Foto: Ulf Schleth

Was ich bisher geraucht habe: Links 12mg/ml, Mitte 6mg/ml, rechts 0mg/ml. Foto: Ulf Schleth

Ich habe also ca. 1/3 der 12mg-Flasche verbraucht, 100% des 6mg-Liquids und 3/5 des nikotinfreien.  Das wären dann 3,33+10+6=19 ml seit dem 19.9., also in 25 tagen. Eine 10ml-Flasche Liquid kostet im Schnitt ca. 5 Euro, ich habe also in fast einem Monat weniger als 10 Euro ausgegeben, während ich sonst mindestens alle 2-3 Tage eine Schachtel Zigaretten gekauft habe, also mindestens 70 Euro ausgegeben hätte. Ich überspringe jetzt die weiteren 6mg/ml-Flaschen die ich gekauft habe und gehe direkt auf 3mg/ml Nikotin herunter.

15.10.

Z. fragt mich ob ich Probleme damit hätte zuzunehmen, wenn ich mit dem Rauchen aufhöre. Ich sage nein. Temporäre Gewichtszunahme  ist normal bei Suchtaufgabe und Schwangerschaft. So what? Z. ist angeekelt. Was ist bloß los mit den Leuten? Ich sage Z. ja auch nicht, daß sie mager ist und unbedingt mehr essen sollte.

16.10.

Eine Art Feier. Rauchtechnisch nichts besonders zu berichten. Nur eins: Wenn Du eine Feier hast und Alkohol trinkst (was immer eine schlechte Idee ist), lass etwas mehr Nikotin im Liquid, damit kein Reiz entsteht, jemanden um eine Zigarette anzuhauen.

17.10.

Wenn die Zigarette komisch schmeckt oder schwächer wird, heißt es, soll der „Verdampferkopf“ verbraucht sein. Wenn man ein dünn zusammengerolltes Stück Papier in die Rauchöffnung steckt und es dreht, soll dann Ruß daran haften. Kein Ruß, aber die E-Zigarette schmeckt trotzdem irgendwie komisch, vielleicht bilde ich mir das auch ein, aber ich wechsle sicherheitshalber den Kopf aus.

19.10.

Ich habe gestern Abend etwas mehr geraucht- Heute morgen höre ich beim Ausatmen ein leises Pfeifen, das ich sonst nur hatte wenn ich viele Zigaretten geraucht habe. Auch der E-Zigaretten-Qualm scheint die Lunge zu belasten. Ich wollte eigentlich 1 Fläschchen 3mg/ml Lösung rauchen, bevor ich weiter reduziere, aber ich merke daß ich Lust habe, schon jetzt langsam damit anzufangen.

28.10. Mit B. Wein trinken. Sie hat ihren Tabak dabei,  ich kann nicht widerstehen, ich rauche bei ihr mit, nach der 4ten Zigarette wird mir das zuviel und ich nehme wieder die E-Zigarette.

31.10.

Das erste 3mg/ml Nikotin-Fläschchen ist leergeraucht, sein Rest ist jetzt im Tank der Zigarette. Jetzt wird es ernst und ich werde immer mehr nikotinfreies Liquid hinzumischen, bis ich auf 0mg bin. Wenn es gut geht.

8.11.-11.11.

Sorry, es ist still geworden. das liegt natürlich daran, daß jetzt eigentlich nichts mehr passiert. Bei jeder Füllung der Liquid-Kammer der E-Zigarette mische ich etwas mehr nikotinfreies Liquid hinzu. Ich schätze, ich nehme jetzt 2,5mg/ml Nikotin. Heute eine seltsamen Rückfall gehabt. Z. war zu Besuch. Wir haben was getrunken. Irgendwann am Abend hatte ich unbändige Lust, mit Zigaretten zu kaufen. Ich habe das dann gemacht und die nächsten Tage die Schachtel leer geraucht. Wie das stinkt :) Ich nehme an, es ist nicht nur der Anblick einer Zigarette, der das Belohnungszentrum triggert, sondern jetzt auch die latente „Unterversorgung“ mit Nikotin, die das Gehirn zu solchen Späßen treibt. Es kommt aber ganz gut damit zurecht, daß es jetzt wieder nur E-Zigarette gibt. Vielleicht ist das Tempo der Nikotinreduzierung auch zu hoch, ich wollte aber eigentlich nicht noch ein Fläschchen mit Nikotinliquid kaufen. Ich muß wieder daran denken wie blöd es ist, daß niemand ein auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basierendes Liquid-Set für Aufhörende verkauft, das den Nikotingehalt so allmählich reduziert, daß das Gehirn es nicht merkt.

Der Kapitalismus und die E-Zigarette

Ein interesantes Thema, das in vielen Online-Videos immer wieder auftritt: Der Kapitalismus und die E-Zigarette. Natürlich versucht die Tabakindustrie am Verkauf der E-Zigarette mitzuverdienen. Mit Fertigzigaretten und ähnlichem Zeug. Die Tabakindustrie wäre nicht die Tabakindusrie, wenn sie nicht versuchen würde, durch ihre Lobbyisten den „freien“ E-Zigaretten-Markt reglementieren zu lassen. Das ist so, als würde ein Kaffeekapselhersteller versuchen den Verkauf von lose gemahlenem Kaffee verbieten zu lassen, mit der Begründung, daß der Genuß von zu viel Koffein gesundheitsgefährdend sei. Andererseits brauchen sie das gar nicht, da die Verwendung von „freien“ E-Zigaretten doch nicht so ganz unkompliziert ist.

Aber will man das? Will man wirklich Wegwerfzigaretten kaufen? Will man das der Umwelt antun? Und will man wirklich bei den Leuten Zigaretten kaufen, die seit jeher sehenden Auges Menschen den Krebstod erleichtern? Das ist, wie wenn Tierfreunde vegetarische Produkte von Gutfried kaufen. Oder wenn ein Unternehmen gleichzeitig Waffen und Särge verkauft. Man willl eigentlich nichts mit Unternehmen zu tun haben, die die Unmoral des Kapitalismus auf die Spitze treiben. Macht es dann aber doch, weil die Konzerne das Geld haben, ihre Produkte besser zu platzieren und weil man zu faul ist, einen Laden weiterzulaufen oder sich etwas länger zu informieren.

Wirkliche Helden sind die kleinen und unabhängigen Anbieter von Produkten rund um die E-Zigarette auch nicht. Warum gibt es wohl keine Aufhörsets? Warum sprechen diese Leute davon, E-Zigarette rauchen sei „aufhören“? Gut, die Liquids enthalten in der Regel wesentlich weniger Schadstoffe (auch hier ist Vorsicht geboten!), aber sie enthalten welche. Ich glaube, diesen Anbietern bricht kein Zacken aus der Krone, wenn sie Produkte anbieten, die nicht nur das Aufhören des Rauchens von Tabakzigaretten fördern, sondern auch des Rauchens von E-Zigaretten. Es wird immer noch genug Menschen geben, die sich bewußt für diese Abhängigkeit entscheiden.

17.11.

Die erste Flasche mit nikotinfreiem Liquid ist leer. Ich mische es jetzt 50/50 mit dem anderen, das heißt, ich bin auf ca. 1,5mg/ml herunter, von dem 3mg/ml-Fläschchen ist noch ca. 2/3 übrig. Ich versuche mich dran zu halten, nach 21:00 nicht mehr zu rauchen um besser schlafen zu können. Klappt nicht immer. Die überschüssigen 12mg und 6mg/ml-Fläschschen habe ich inzwischen an eine Arbeitskollegin weitergegeben, falls ich das noch nicht erwähnt habe.

25.1.2022

Hallo! Lange Zeit nichts voneinander gehört :) Es ist aber rauchtechnisch nichts wirklich passiert und der Alltag hat so viel Aufmerksamkeit gefordert, daß es kaum möglich war, sich Gedanken um interessante Aspekte der E-Zigarette zu machen. Das kommt vielleicht nochmal am Schluß. Was mir auffällt, daß viele Menschen in ihrem Denken sehr unbeweglich sind. Wenn Du seit 5 Jahren mit dem Rauchen aufhören willst, warum versuchst Du es nicht einfach mal mit der E-Zigarette? Wenn Du darauf hängenbleibst, kannst Du damit immer noch gesünder rauchen als mit der normalen Tabakzigarette.

In der Zwischenzeit bin ich 3-4mal schwach geworden: Silvester haben wir uns zu zweit eine Schachtel Zigaretten gekauft und die geraucht. Ende letzter Woche habe ich mir bei einer rauchenden Kollegin  im Laufe eines Tages 4 Zigaretten geschnorrt. Das Gefühl am nächsten Tag wird immer ekelhafter und der Gestank immer unerträglicher. Bis jetzt war der Wechsel zurück auf die E-Zigarette jedes Mal ohne Probleme möglich. Jedes Mal war das Schwach werden mit den Zusammentreffen mit rauchenden Menschen verbunden.

Davon abgesehen läuft es mit der E-Zigarette ganz gut. Corona hilft ein wenig; man muß nicht so oft mit rauchenden Menschen zusammentreffen wie sonst. In meinem Liquid ist jetzt nur noch etwa 1-1,5 mg/ml Nokotin enthalten. Wenn ich weiß, daß ich etwas trinken werde, nehme ich auch mal etwas mehr, weil dann die Lust grösser ist. Ich ziehe meistens nur noch 3-4 mal täglich und nehme dann 3-4 Züge von der E-Zigarette, aber ich habe es auch schon ganze Tage lang ganz vergessen. Heute habe ich das nächste Fläschchen nikotinfreies Liquid leergemacht, während das kurz später angebrochene 3mg/ml-Fläschchen noch zu Hälfte voll ist und ich habe zum ersten Mal nur mit nikotinfreiem Liquid nachgefüllt. Wenn das zu schnell war, fülle ich noch etwas mit Nikotin nach. Vielleicht bilde ich es mir ein aber ich habe das Gefühl, daß der Reiz, zu Tabak zu greifen ganz langsam sinkt.

Dieser Text gefällt Dir?

Kommentar schreiben

Die E-Mail-Adresse wird nicht angezeigt. Felder mit * müssen ausgefüllt werden.

*

*